1.2 - Die fünf häufigsten Gründe, warum Unternehmensnachfolgen scheitern!

Neben der Coronakrise, die viele Unternehmer wie ein Tsunami erwischt hat, gibt es fünf wesentliche Gründe, die für das Scheitern einer Unternehmensnachfolge verantwortlich sind.

 

Hier ist meine Top-5-Liste warum Unternehmensnachfolgen scheitern:

  • unrealistische Kaufpreisvorstellungen
  • zu große Dominanz des Eigentümers
  • mangelhafte Dokumentation aller betriebsrelevanten Unterlagen
  • egoistische Kommunikation und Verhandlungsführung
  • falsche Vorstellung von der Dauer des Verkaufsprozesses

Im Laufe meiner Beratertätigkeit gab es immer Situationen, in denen ich mit meinem Latein am Ende war. Sicher geglaubte Verkaufsverhandlungen platzten in der letzten Minute.

Bei der Analyse kam ich immer zu dem Schluss: Verkäufer oder Käufer haben aus »unerklärlichen« Gründen das Scheitern der Verkaufsverhandlungen zu verantworten. Das ist ja auch die einfachste Erklärung – oder?

 

Vor einigen Jahren lass ich einen Artikel zu dem Thema: Neuromarketing.

Dieser Artikel faszinierte mich so sehr, dass ich sofort beschloss, mich mit dieser Materie intensiver zu beschäftigen. 

Hinweis: Neuromarketing ist ein Teilgebiet der Neuroökonomie, die Neuro- mit Wirtschaftswissenschaften verknüpft.

Es geht dabei im Wesentlichen um die Fragen:

  • Wie fällen Menschen Entscheidungen?
  • Welche Motive sind bei einer Entscheidung von Relevanz?
  • Wer bestimmt unsere Entscheidung, unser Bauchgefühl oder unsere Ratio?

Das Neuromarketing konzentriert sich auf Erkenntnisse aus der Hirnforschung. Es geht im Grunde genommen um die Erkenntnis: Welche emotionalen Sinnesreize rufen welche emotionale Reaktion hervor, um dann eine vermeintlich rationale Entscheidung zu treffen.

 

Eins vorweg: Wir müssen uns davon verabschieden, dass wir wohlüberlegte und rationale Entscheidungen treffen. Jede Kaufentscheidung wird zwar rational begründet, das Kaufmotiv hingegen ist immer emotionaler Natur. Diese Tatsache trifft auch bei einer Unternehmensnachfolge zu.

  • Fragen Sie z. B. einmal eine Frau, warum sie 47 Paar Schuhe in ihrem Kleiderschrank hat!
  • Oder fragen Sie einen 65-Jährigen, warum er sich gerade jetzt eine Harley-Davidson kauft!

Die Antworten, die Sie erhalten, sind etwas für jede Karnevalssitzung, da jeder der befragten Protagonisten eine Erklärung abgibt, die auf den ersten Blick absolut logisch ist.

 

Das liegt daran, dass unser Gehirn permanent auf der Suche nach „Glücksreizen“ ist. Hat unser Gehirn einen „Glücksmoment“ gefunden, belohnt es sich mit einer Ausschüttung von „glücksbringenden“ Endorphinen!

Das bedeutet im Klartext, dass bei einem Kauf (oder Verkauf) eines Unternehmens, die gleichen Glückshormone verantwortlich sind wie beim Kauf einer Küchen- oder Bohrmaschine!

 

Die Erkenntnis lautet daher:

"Kein Mensch kauft eine Firma um Geld zu verdienen!"

Jede vermeintliche rationale Handlung - auch der Kauf einer Firma - hat immer einen emotionalen Ursprung.

 

Fakt ist: Der eigentliche Entscheidungsträger bei einem Unternehmenskauf in unserem Gehirn ist das sogenannte limbische System, auch Reptiliengehirn genannt. Das limbische System steuert das emotionale Verhalten und damit alle Motive, die uns zu irgendeiner Handlung treiben!

  • Lange bevor das Großhirn einen Gedanken fasst, hat das limbische System die Situation bereits erkannt und trifft anhand von Referenzerfahrungen eine Entscheidung.
  • Hier kann das limbische System auf einen Erfahrungsschatz aus 3,5 Milliarden Jahren (!) zurückgreifen. Der Adrenalinausstoß in Stresszuständen ist nur eine Funktionsweise des limbischen Systems. Es schützt uns vor Gefahren, indem es ein Automatik-Programm abspult, das in einem Stresszustand – ohne zu überlegen – mit Angriff, Flucht oder Totstellen reagiert.
  • Neben diesen angeborenen Verhaltensstrukturen tragen persönliche Erfahrungen sowie das soziale Umfeld, in dem wir aufgewachsen sind, zu unserer Entscheidungsfindung bei.

Diese Art von Automatismus hat weitreichende Folgen, insbesondere, wenn es um das Thema Unternehmensnachfolge geht.

 

Dazu ist es erforderlich, sich mit der Arbeitsweise dieses Systems etwas näher zu befassen. Das limbische System macht im Prinzip nichts anderes, als dass es alle Sinneswahrnehmungen anhand von Referenzerlebnissen (Erfahrungen) abgleicht und dann eine Handlungsentscheidung trifft.

 

Ist dem limbischen System eine Situation unbekannt, reagiert es anhand eines Referenzerlebnisses, das so ähnlich schon einmal passiert ist, oder es verfällt in den Zustand von verdrängen und ignorieren. Dass in solch einem Fall nicht jede Entscheidung zum erwünschten Erfolg führt, gehört zu unserer Persönlichkeitsentwicklung.

 

Erst wenn man eine eigene, negative Erfahrung gemacht hat, besteht die Chance, dass man aus diesem Fehler lernt (Finger-auf-heißer-Herdplatte-Effekt)! Fakt ist aber: Nichts ist so individuell wie das Individuum Mensch. Der eine kapiert’s schneller, der andere nie.

 

Diese kurze Einführung in unser Verhalten ist wichtig, weil hier die Erklärung für das Scheitern der meisten Nachfolgeregelungen zu finden ist.

 

Anhand eines Beispiels möchte ich verdeutlichen, was ich meine.

Ein Unternehmer, nennen wir ihn Herr K., ist Besitzer eines Großhandels für Industriebedarf. Seine im Laufe der Jahre gemachten Erfahrungen spiegeln sich tagtäglich wider. So löst z. B. die Aufnahme einer neuen Produktserie eine nahezu automatisierte Arbeitsweise aus. Alles ist schon hundertmal gemacht worden.

 

Von der Produktaufnahme in das Warenwirtschaftssystem bis zur Entwicklung einer Marketingstrategie. Alles ist Herrn K. bis ins kleinste Detail bekannt. Sie können Herrn K. mitten in der Nacht aufwecken, er könnte das gesamte Prozedere inkl. der verantwortlichen Personen benennen, ohne darüber nachzudenken.

 

Und nun schauen wir uns den Prozess einer Unternehmensnachfolge bei Herrn K. an!

  • Herr K. hat im Laufe seines Lebens noch kein Unternehmen verkauft.
  • Herr K. besitzt demzufolge auch keine Kenntnisse darüber, wie man sich auf diesen Verkaufsprozess vorbereiten muss.
  • Daraus lässt sich ableiten, dass Herr K. auch nicht weiß, welche Anforderungen an ihn und an seine Firma gestellt werden.
  • Herr K. greift ausschließlich auf seine bisher gemachten Verkaufserfahrungen zurück, welche aber mit der Durchführung und der Organisation eines Unternehmensverkaufs nichts zu tun haben!

Das Ergebnis: Herr K. geht unvorbereitet in die Verkaufsverhandlungen. Sein Automatik-Programm suggeriert ihm: »Kein Problem, ich kann das.«

  • Ein weiterer Punkt kommt an dieser Stelle noch erschwerend hinzu: Unser limbisches System entpuppt sich als Saboteur, indem es Herrn K. permanent folgende Botschaft sendet: »Mach jetzt keine Welle, irgendwie kriegen wir das schon hin – und wenn etwas schiefgeht – dann ist der andere schuld.«
  • Wie das limbische System unseren Alltag beeinflusst, können Sie an einem weiteren einfachen Beispiel erkennen. Getreu dem Motto: Jeder Mensch ist lernfähig, gehe ich davon aus, dass auch Ihnen schon einmal ein »jetzt reicht es mir« über die Lippen gekommen ist. 
  • Jetzt reicht es mir, heißt nichts anderes, als dass es Tage, Wochen, Monate, ja sogar Jahre dauern kann, bis man zu einer anderen Einsicht gelangt ist.
  • Erst wenn die persönliche Schmerzgrenze überschritten wird, neigt man dazu, sein Verhalten zu ändern. So lange hält man an seiner bestehenden Position fest. Der Auslöser für diesen Sinneswandel ist auch hier unser limbisches System. Es stellt fest: Ein weiter so ist mit mehr Leiden verbunden als eine Meinungsänderung, die mit der Aussicht auf mehr Glück einhergeht.

 

Auf das Thema Unternehmensnachfolge angewendet bedeutet das:

  • Viele Unternehmer leiten den Verkaufsprozess basierend auf ihren Erfahrungen ein. Erst wenn der Unternehmer wiederholt feststellt, dass seine Taktik nicht aufgeht, denkt er über Alternativen nach (Kind-ist-in-den-Brunnen-gefallen-Prinzip).

Fazit:

  • Bis vor Kurzem stand ich kopfschüttelnd vor der Situation, dass manch ein Mandant seinen Urlaub sorgfältiger plante als seine Unternehmensnachfolge. Heute habe ich Verständnis für dieses Verhalten. Woher soll der Unternehmer es denn auch wissen. Es fehlt ihm einfach an der nötigen Erfahrung.

Buch-Tipp: Wie Sie einen Käufer für Ihre Firma finden

1.0 Ein Blick zurück: So haben kleine und mittelständische Unternehmer*innen in den letzten Jahren ihren Firmenverkauf geplant.

 

1.1 Eine Umfrage brachte es an den Tag.

 

1.2 Die 5 häufigsten Gründe, warum über 50% aller Firmenverkäufe gescheitert sind.

 

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